EUDRALEX Vol. 4 Part IV: Einer für Alles?
BIOTECHNOLOGISCH HERGESTELLTE ARZNEIMITTEL BOOMEN
Arzneimittel für Neuartige Therapien (ATMPs) sind an vorderster Front der Regulatorischen Entwicklungen, auch was Vorgaben der Guten Herstellpraxis betrifft. Ein noch sehr junger ATMP-GMP-Guide geht hier Wege die es so im GMP-Universum bisher noch nicht gab.
GMP-REGELWERK
Erstens ist der 90 Seiten starke Guide weitgehend unabhängig von übrigen GMP-Regelwerk. Das ist sehr erstaunlich, wurden doch v.a. die Annexe des GMP-Guide fast immer auf alle anderen Arzneimittel-Situationen hin angewandt. Im ATMP-Leitfaden gibt es aber kaum Verweise auf die klassischen Annexe.
ATMP GUIDE
Zweitens forciert der neue ATMP Guide einen stärker Risiko-basierten Ansatz im Pharmazeutischen Qualitätssystem. Das mag zwar grundsätzlich nicht neu klingen, im Blick auf die herkömmlichen GMP-Vorgaben ist es das aber durchaus. Bei wörtlicher Auslegung des Guide bestehen einige Freiheitsgrade, welche es so historisch für die Arzneimittelherstellung nicht gab oder die so in der Praxis trotz ICHQ9 / GMP Leitfaden Teil 3 – je nach Überwachungsbehörde – eben öfter doch nicht zugestanden wurden.
GMP-SONDERREGELUNGEN
Zum Dritten gibt es für ATMPs einige GMP-Sonderregelungen wie z.B. die Dezentrale Freigabe, oder Zugeständnisse an die Anforderungen an Prozessvalidierungen. Hier lohnt sich ein exaktes Studieren des Textes, denn Vieles klingt ähnlich wie in den bekannten GMP Regelwerken, ist aber bei genauem Hinsehen doch im Detail anders geregelt. Und es summiert sich(!).
Schließlich stellt der ATMPs-GMP-Leitfaden auch quasi eigene Regeln für Klinische Prüfpräparate auf. Kein Wunder, denn der aktuell unter EUDRALEX Volume 4 Annex 13 platzierte ebenfalls sehr junge IMP-GMP-Guide gilt für I-ATMPs grundsätzlich nicht. Das bedeutet auch in der Klinischen Entwicklung: Genaues Hinsehen lohnt sich.
FAZIT
Der jüngste ATMP-Leitfaden ist nicht nur ein hilfreiches Werkzeug zur Klarstellung der regulatorischen Erwartungen an GMP. Sondern er macht auch einen wichtigen Schritt weg von einer weniger rigiden Anwenden fixer und manchmal überzogener Vorgabe-Listen (GMP-Overkill), hin zu einem angepassten GMP-Ansatz – nämlich Qualitätssicherung aus fachlicher Kenntnis und Compliance-Bewußtsein.
Bleibt ab zu warten, ob sich die Europäische Denkweise als mit den Vorgaben anderer Länder kompatibel zeigen wird, oder ob durch diesen grundsätzlich sinnvollen EU-Ansatz lediglich eine zusätzliche Compliance Welt bedient werden muss, die es sonst nirgendwo auf der Welt geben wird.
Vita
- 30 Jahre Erfahrung in der pharamzeutischen Industrie
Expertise:
- Geprüfter Sachverständiger für Reinraumtechnik und GMP-Management
- Lead Auditor und Gutachter
Stationen:
- Technischer Leiter
- COO / Gesamt-Herstellungsleiter
- Remidiation-Manager
- Projektleiter Neubau/GMP-Upgrade
- Management-GMP-Beratung
- Fachautor, GMP-Trainer, Mediator
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